FAEX: Wir sind die Guten!

Interview mit Ingo Müller-Dormann von Fashion Exchange

Fashion Exchange ist eine Community für Independent Fashion Design und eines der innovativsten Retail-Konzepte in der deutschen Modebranche. FAEX setzt auf Slow Fashion und unterstützt unabhängige Designer, die hochwertige, nachhaltige Kleidung abseits vom Mainstream produzieren. Mittlerweile hat FAEX 200 Designer aus Deutschland, Österreich, Polen und Kanada im Sortiment und deutschlandweit 160 Pop-Up-Stores organisiert. Im Januar 2021 gewann FAEX den Pop-Up-Wettbewerb der Stadt Bremen. Wir sprachen mit dem Gründer Ingo Müller-Dormann über Mode und Rock’n’Roll, neue Retail-Konzepte und darüber, wie man den Angebotsmix in den Innenstädten verbessern kann.

16.03.2021

FAEX-Gründer Ingo Müller-Dormann. - Quelle: FAEX / Alex Hüfner

Fashion Exchange ist eines der größten Pop-Up-Projekte, die es derzeit in Deutschland gibt. Was genau ist FAEX und wie funktioniert das Konzept?

Fashion Exchange haben wir schon sehr früh entwickelt, im Jahr 2013. Wir wollten ein großes Event in Berlin veranstalten zum Thema Mode und haben unzählige Gespräche mit Designern geführt. Damals gab es schon rund 600 Designer in Berlin und alle hatten das gleiche Problem: sie kommen nicht raus, im Verkauf hakt es. Messen werden immer teurer, die Ladenmieten sind sehr hoch.

Da haben wir gedacht, eigentlich sind das Künstler und man müsste mit ihnen auf Tour gehen. Ich komme ursprünglich aus dem Rock’n’Roll und habe in den 1990ern englische und amerikanische Bands in Deutschland begleitet. Genauso müsste man die Designer zeigen - in einer großen Show, mit Models, so wie eine Art Musical. Aber der Haken bei der Geschichte ist, dass die Slow Fashion Designer wenig Geld haben. Deswegen beschlossen wir vor etwa fünf Jahren, die Kleidung mitzunehmen und in verschiedenen Städten zu zeigen. Wir hatten unseren Kreativmarkt „Deine Eigenart“ und haben die Mode Huckepack genommen. Am Anfang waren wir mit fünf Designern unterwegs, mittlerweile haben wir 25-30 Designer dabei, das heißt rund 2.000 Artikel.

Das FEAX-Konzept lässt sich so beschreiben: wir kommen in eine Stadt und bringen 25-30 Labels mit. Wir haben eine gewisse Bandbreite von verschiedenen Designern und das macht den Erfolg aus. Wir haben jetzt 160 Pop-Up-Stores in 40 Städten gemacht und wissen, dass unsere Zielgruppe im Bereich der „LOHAS“ liegt: zwischen 30 und 59 Jahre, qualitätsbewusst und nachhaltigkeitsorientiert, weiblich. Interessanterweise gibt es die überall! Das ist genau der Unterschied von einem Pop-Up gegenüber einer kleinen Boutique mit zwei Labels: wir haben ein breites Portfolio, so dass der Kunde ein Erfolgserlebnis im Shop hat. Wir bieten 30 verschiedene Styles. Rund 90 Prozent unserer Besucher kaufen etwas im Pop-Up-Store.

Wie wählen Sie die Standorte für die Pop-Up-Stores aus?

Zunächst lief das über die Kontakte, die ich als Tourneeveranstalter hatte. Später haben wir dann das Stadtmarketing und die City-Initiativen kontaktiert. Dabei gibt es aber ein Problem: Ein Pop-Up-Store allein ist nicht nachhaltig, die lokalen Einzelhändler haben da Vorbehalte. Es ist aber auch nicht unser Ziel, nur herumzureisen und Pop-Ups zu eröffnen - das ist nur unser Marketinginstrument. Unsere eigentlichen Ziele sind: 1. Die kleinen Designer zu unterstützen, damit sie genügend Geld verdienen. 2. Nachhaltig den inhabergeführten Einzelhandel zu stärken. Der Pop-Up-Store ist hier Mittel zum Zweck. Der lokale Einzelhandel soll sich die Mode ansehen, wie auf einer kleinen Messe. Wenn es ihnen gefällt, können sie über uns FAEX-Ware ordern.

Sie haben ein neues Format entwickelt, „FAEX WEEK“ für Städte. Was bietet FAEX WEEK?

Die FAEX WEEK ist praktisch eine Fashion Week. Wir binden die Einzelhändler in das Pop-Up-Konzept mit ein. Natürlich nicht für einen Tag, dafür ist der Aufwand zu groß. Wir zeigen eine Woche lang 60 Designer. Wir haben einen zentralen Ort, an dem wir etwa 20 Designer zeigen, die restlichen 40 verteilen wir auf die Läden in der Stadt. Die Händler bekommen von uns ein Tablet, im Vorfeld machen wir das gesamte Matching zwischen Händlern und Designern. Wir zeigen eine Woche lang Mode in einer Stadt. Und zwar gemeinschaftlich mit der Stadt. Das ist eine Win-Win-Situation für alle. Die Einzelhändler erweitern ihr Portfolio, sie können bei uns ordern, die Stadt vermarktet das. Dafür interessieren sich mittlerweile auch Designer aus dem Ausland. Im Grunde ist das ein Zwischending zwischen Event und Einzelhandel.

Seit letztem Jahr gibt es auch einen Online Shop. War das in der Roadmap vorgesehen oder Corona geschuldet?

Wir wollen eine intelligente Verknüpfung zwischen Offline und Online, wobei Offline für uns im Vordergrund steht. Wie man weiß, finden Einzelhändler es nicht toll, wenn sie in der Offline-Vermarktung sind und das Geld wird online verdient. Für uns war der Online-Shop nicht so wichtig. Es war klar, dass wir einen wollten, aber er ist in erster Linie ein Marketingtool. Die Kunden sehen sich die Kleidung online an und kommen dann in unseren Pop-Up, um die Stücke anzuprobieren. Natürlich hatten wir im April/Mai 2020 nicht so viel zu tun und konnten dann am Online-Shop arbeiten. Bei uns gibt es keinen Sale, alles muss im Voraus bezahlt werden.

Wie ist das Verhältnis von offline und online bei den Verkäufen – über welchen Kanal wird mehr verkauft?

Bei uns wird viel mehr offline verkauft. Wir haben bereits um die 10.000 Kleidungsstücke in den Pop-Ups verkauft. Online ist das nur ein Bruchteil.

Wie beurteilen Sie die Situation in den Innenstädten?

Da gibt es zum einen hausgemachte politische Probleme, zum anderen diese destruktive ‚Geiz ist geil‘-Mentalität. Es ist klar, dass es in den Innenstädten auch Ketten geben muss, die Innenstädte müssen ja für verschiedene Zielgruppen attraktiv sein. Unser Konzept lässt sich auch auf andere Branchen übertragen. Es müssen 30-40 verschiedene Labels sein, damit es eine Auswahl für die Kunden gibt. Auch neue digitale Konzepte wie Termin-Shopping oder Click & Collect werten eine Innenstadt auf. Aber die Immobilien müssen sich verändern, es muss einen ausgewogenen Mix geben. Gastronomie, Wohnen, Arbeiten – die Innenstädte müssen von morgens bis abends belebt sein. Corona hat hier auch etwas Positives bewirkt, dass die Städte sich jetzt erneuern und verändern müssen.

Mittlerweile rufen die Städte bei uns an. Wir bieten neben dem Pop-Up und der FAEX WEEK auch noch ein drittes Retail-Konzept an: dabei erhalten Einzelhändler, die Mitglieder unserer Community sind, alle zwei Monate neue Designer, die sie ausprobieren dürfen. Das haben wir in der Coronazeit in Bremen getestet, in einem kleinen Laden mit Rotationsprinzip. Jeweils zum Wechsel nach zwei Monaten gibt es einen kleinen Event. Wenn es den Händlern gefällt, können sie die Ware bei uns ordern.

Was hat es mit dem Print-Magazin auf sich? Wann erscheint die nächste Ausgabe?

Mit dem Magazin wollen wir den Leuten vor Ort etwas in die Hand geben. Das kommt tierisch gut an! Wir produzieren das Magazin selbst, das macht sehr viel Spaß und wir werden immer besser. Auch für den Designer hat das eine Wertigkeit, er kann seine Stories erzählen. Ursprünglich hatten wir das Magazin jeweils zu einer Tour gemacht, künftig wird es aber vier Magazine pro Jahr geben. Es ist praktisch ein Begleitmagazin zu unseren Aktionen.

Wie viele Touren wird es in diesem Jahr geben?

Geplant sind sogar vier. Nicht jeder Designer kann alle Termine mitmachen, aus Material- und Kostengründen. Daher versuchen wir, Pakete zu schnüren, z.B. aus einer Tour und zwei FAEX WEEKS. Das ist eine sehr optimistische Perspektive in Bezug auf Corona, aber ich bin Optimist (lacht). Andererseits können wir die Hygienekonzepte überall einhalten. Die ausgefallene Tour vom Herbst 2020 wird im April/Mai laufen. Tatsächlich haben wir sehr viele Anfragen von Städten. Wir erwarten, dass man im Sommer mehr machen kann, wenn die Infektions-Zahlen sinken. Und dass wie im letzten Jahr weniger Leute ins Ausland reisen werden. Daher werden die Standorte an der Nord- und Ostsee oder in den Bergregionen sehr interessant sein. Wir gehen wieder nach Heringsdorf, das hat letztes Jahr sehr gut funktioniert.

Wegen der anhaltenden Pandemie sind die Verantwortlichen der Wirtschaftsförderung und im Tourismus gerade deprimiert, das merkt man. Aber wir wollen trotzdem Pläne machen, wir versuchen, positive Stimmung zu verbreiten mit unseren neuen Konzepten. Auch wenn man derzeit keine festen Termine vereinbaren kann. Wichtig wäre jetzt für alle eine Perspektive, wann geöffnet wird und wie es in den nächsten Wochen weitergeht. Da hoffe ich auf die Politik.

Eine spannende Idee ist zum Beispiel, dass man die Läden öffnet, aber immer nur einen Kunden reinlässt. Das will Bremen ab März so machen. Für Ketten ist das sicher ein Riesenproblem, aber für uns ist das perfekt! Wir wollen jetzt Zeitfenster anbieten, die man für den Laden in Bremen digital buchen kann. Dann gibt es eine perfekte Beratung und die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde etwas kauft ist relativ groß. Und er freut sich über das einzigartige Einkaufserlebnis. Für kleine Boutiquen ist das eine große Chance.   

Herr Müller-Dormann, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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