Der Handel muss sich gerade neu erfinden

Interview mit Tim Köhler von That’s Retail

Tim Köhler und Christoph Edler betreiben zusammen die Full-Service Agentur That’s Retail. Als Komplett-Dienstleister übernehmen sie alle Aufgaben rund um die Errichtung temporärer Stores und Erlebnisflächen. That‘s Retail setzt den Point of Experience in Szene, verantwortet den kompletten kaufmännischen Betrieb inklusive der Warenwirtschaft und stellt dafür auch geschultes Verkaufspersonal bereit. Wir sprachen mit Tim Köhler über gute und weniger gute Pop-Up-Konzepte, den Einzelhandel in der Coronakrise und neue Chancen für die Zukunft.

19.05.2021

Tim Köhler, Co-Founder von That’s Retail. - Quelle: That’s Retail

Was ist das Konzept von That’s Retail? Was genau macht That’s Retail?

That`s Retail ist ein Full-Service Dienstleister für temporäre Verkaufsflächen wie z.B. Pop-Up-Stores, Shop-in-Shop-Systeme und Anbieter von Retail-as-a-Service-Lösungen für Unternehmen, die keine eigene Handelsstruktur haben oder schneller skalieren möchten. So haben wir bereits einige internationale Unternehmen beim Market-Entry in Europa unterstützt und auch immer wieder Markenerlebnisse für neuartige Produkte und Marken erschaffen. Neben POS-Themen bauen wir für unsere Kunden aber auch den Point-Of-Experience. Zu unseren Kunden gehören namhafte Handelsketten, große Hersteller, Marken und Onlinehändler. Da dürfen wir ja nicht immer Namen nennen, aber aus den aktuellen Top 10 der Onlinehändler in Deutschland gehören z.B. schon zwei zu unseren Kunden und mit nahezu jedem in diesem Ranking sind wir bereits locker in Gesprächen oder waren es in der Vergangenheit.

Sie haben bereits zahlreiche Pop-Up-Stores organisiert. Welche Pop-Up-Store-Projekte sind Ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben und warum?

Wir machen Pop-Up-Stores schon seit etwa 10 Jahren. Darunter fielen Projekte wie der „Höhle der Löwen“ Pop-Up-Store, das Aldi Bistro, der Jubiläumstore zum 50. Geburtstag des „Lustigen Taschenbuchs“ und Toom „Stadtgrün“ und „Stadtbunt“. Ich kann gar nicht sagen, welches dieser Projekte besonders erinnerungswürdig ist. Da wir fast nie von der Stange bauen, sondern immer einzigartige, individuelle Stores entwickeln und betreiben, hat jedes dieser Projekte seinen eigenen Charme und macht stolz. Nahezu alle unsere Projekte sind neue Konzepte für etablierte Brands mit unterschiedlicher Ausrichtung, sodass wir uns und die Stores immer wieder neu erfinden müssen. Das ist aber auch der Spaß an unserer Arbeit. Wir bauen eine Art Prototypen und verstehen uns als Partner und Entwickler neuer Konzepte und Markenerlebnisse am POS. Aber es macht natürlich Spaß zu sehen, wenn unsere Projekte eine solche mediale Aufmerksamkeit erreichen wie das Aldi Bistro oder auch der DHDL Store.

Wie lange dauert es im Schnitt, einen Pop-Up-Store zu planen und umzusetzen? Wie schnell lässt sich ein Pop-Up-Projekt realisieren?

Das hängt vom Konzept und der Größe ab. Je nach Aufgabe sind wir aber schnell. Ein Outlet zum Abverkauf von Lagerbeständen bringen wir natürlich viel schneller auf die Straße als ein neuartiges Laden- oder Gastronomiekonzept. Es kommt also darauf an, was bereits zur Verfügung steht. Grundsätzlich kann man sagen, dass das erste Projekt eines Kunden immer länger dauert. Wenn man dann aber die Logistik, die Produkte und die Marke und Kunden verstanden hat und wir auch den Ladenbau konzipiert haben, geht es schnell. Dann ist es ja eine Art Skalierung/Expansion und das ist dann easy. In der Regel brauchen wir 3 bis 6 Monate Vorlauf. Wenn aber Ladenbau und Konzept evtl. schon steht, dann dauert es meist nur 4 bis 6 Wochen nach Beauftragung. In der Zeit finden wir Ladenflächen, Personal und Gewerke zum Ausbau im DACH-Raum und auch darüber hinaus. Das gibt unser Netzwerk mittlerweile europaweit her. Wenn man uns aber mehr Zeit lässt, können wir allerdings budgetschonender arbeiten. Dann besteht einfach die Möglichkeit besserer Verhandlungen, größerer Auswahl an Ladenflächen und genauerer Planungen. Aber grundsätzlich kann man sagen, 4 Monate Vorlauf ist recht entspannt für alle Beteiligten – 4 Wochen dann eher stressig aber machbar und auch manchmal nötig!

Welcher Baustein bei der Pop-Up-Organisation verursacht die meisten Kosten, welcher den meisten Aufwand?

Auch das ist schwer zu sagen. Wenn z.B. kein Ladenbau besteht sind das die Initialkosten wie Konzept, Planung, Prototyping. Das macht schon Einiges vom Gesamtbudget aus. Allerdings sind das ja einmalige Kosten, die sich bei Laufzeit und/oder Expansion dann auch schnell wieder relativieren. Aufwändig bzw. ein besonderes Augenmerk haben wir auf das Loctionscouting. Wir wollen, dass unsere Kunden zufrieden sind und deswegen besorgen wir natürlich 1A-Lagen bzw. auch Orte die dann auch zur Marke passen. Solche Flächen sind schwer zu finden, aber unsere Kontakte und unser Ehrgeiz treiben uns da an. Deswegen haben wir schon Pop-Up-Flächen am Alex in Berlin, am Neumarkt in Köln, in der Neuhauser in München aber auch Top-Lagen in Wien gehabt. Also alles Lagen, die man temporär nicht unbedingt bekommt.

In welchem Bereich gibt es Ihrer Erfahrung nach am meisten Probleme? Bei der Konzeptplanung, der Locationsuche oder beim Betrieb des Pop-Up-Stores?

Grundsätzlich ist auch das nicht zu verallgemeinern. Schwierig ist es oft, die Wünsche der Kunden aus dem Konzept dann hundertprozentig im Store umzusetzen. Denn es gibt ja auch externe Faktoren wie Behörden und Genehmigungen und auch Immobilien-Eigentümer. Wir haben aber bis jetzt jedes Problem gemeistert, denn wir kennen ja die Herausforderungen und nehmen möglichen Bedenkenträgern schon oft vorab den Wind aus den Segeln. Man muss die Rechtslagen und die Spielräume kennen und dann ist das alles zu lösen.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Vermietern von Räumlichkeiten für Pop-Ups gemacht? Ist die Akzeptanz von Pop-Up-Stores gut oder sehen die Vermieter darin eher eine “Notlösung”? Was ist den Vermietern wichtig, wenn sie an einem Pop-Up-Projekt teilnehmen?

Das ändert sich gerade. Als wir vor 10 Jahren damit angefangen haben, wurde teilweise der Telefonhörer auf der anderen Seite direkt aufgelegt. Man hielt die Frage nach Kurzzeitmieten teilweise wohl für einen Telefonstreich. Wir sind aber nun ein etablierter Partner von Maklern, Eigentümern und Shoppingmalls und zeigen, dass unsere Projekte auch Immobilien aufwerten und Mieter und Besucher anlocken können. Das liegt natürlich auch daran, dass wir für namhafte Kunden arbeiten und immer mit anspruchsvollen Konzepten kommen. Ob Sales-Outlet für einen Online-Modehändler oder Markenwelt für einen Grillhersteller – wir sind immer hochwertig unterwegs. Früher waren wir aber eher „Pain in the Ass“ und Notnagel und jetzt in bisschen Heilsbringer gegen den Leerstand. Ein Anspruch auf professionelle Umsetzung besteht aber seitens der Vermieter schon. Aber unsere Referenzen sprechen für uns.

Wann kann man sagen, dass ein Pop-Up-Store erfolgreich ist? Woran kann man den Erfolg eines Stores messen (Besucherzahl, Berichterstattung in den Medien, Verkäufe, Kundendaten usw.)?

Grundsätzlich an allen diesen genannten Punkten. Was in dieser Aufzählung fehlt, ist dann auch noch die Steigerung der Onlineverkäufe während des Betriebs und im Nachgang des Stores. Die Schwerpunkte und Ansprüche sind je nach Kunde unterschiedlich. Das ist abhängig von der Ausrichtung des Konzepts. Die Frage ist ja, ist es ein Markenlaunch, ein Standorttest zur Expansion oder ein reines Sales-Thema. Jeder hat seine eigenen KPIs. Darauf bauen wir aber auch die Konzepte auf und klären die Ziele vorab.

Haben Sie auch schon erlebt, dass ein Pop-Up-Store nicht erfolgreich war, nicht gut angenommen wurde? Wenn ja, was war der Grund dafür? Auf was muss man bei der Umsetzung von Pop-Up-Stores ganz besonders achten, damit das Pop-Up-Projekt kein Flop wird?

Ja, haben wir! Man muss mit dem Kunden realistische Ziele haben und auch die Marke, Kunden und die Produkte richtig einschätzen. Dazu beraten wir auch unsere Kunden. Das ist teilweise sogar regional unterschiedlich. Wir hatten schon zeitgleich Stores in Berlin, Hamburg, München und Köln und die Umsätze und die Begeisterung für die Marke waren, trotz nahezu gleicher Voraussetzung in den Städten, sehr unterschiedlich. Wie beim normalen Filialgeschäft eben auch. Da gibt es Top-Standorte und eben weniger gute Städte.

Es gab aber auch schon Stores, wo einfach der Kunde an den Kosten zur Ladenfläche sparen wollte und diese deswegen nicht so erfolgreich waren wie erhofft. B-Lage ist auch oft gleichzusetzen mit B-Umsätzen oder B-Reichweite. Oder man muss eben mehr Budget ins Marketing zur Aktivierung des Stores stecken. Die Ladenmieten in den Frequenzflächen sind ja auch eine Art Media- und Marketingkosten und das wird oft vergessen.

Aktuell wird der stationäre Einzelhandel durch die Corona-Pandemie stark beeinträchtigt. Wie wird sich die Situation Ihrer Ansicht nach entwickeln, sobald es beim Shopping in den Innenstädten weniger Einschränkungen geben wird? Könnte das Pop-Up-Konzept 2021 einen regelrechten Boom erleben?

Davon gehen wir sogar aus! Wir verfolgen das natürlich schon seit Jahren und diese hohen Langzeitmieten, wie es sie früher gab, werden für die Vermieter schwerer umzusetzen. Die Entwicklung gab es schon vor Corona, aber Covid beschleunigt dies natürlich erheblich. Es gibt mehr Leerstand, der bespielt werden muss. Pop-Up-Konzepte laden zum Testen neuer Konzepte und Standorte ein und es besteht auch die Möglichkeit für Marken und Händler, temporär zu skalieren, um Lagerbestände ab zu verkaufen. Wir beobachten die Entwicklung mit Spannung!

Für welche Sparten bietet sich das Pop-Up-Konzept 2021 ganz besonders an? In welchen Segmenten sehen Sie Potenzial? Welchen Branchen könnte das Pop-Up-Modell in der Post-Corona-Ära ganz besonders helfen?

Neue und junge Marken, E-Commerce-Unternehmen, die auch offline Standorte eröffnen wollen und natürlich für alle Unternehmen und Marken, die saisonale Schwerpunkte haben, wie z.B. aktuell Fahrradhändler, könnten nach Corona gut von solchen temporären Konzepten profitieren. Da die Auswahl der Flächen größer wird, die Einstiegskosten aber zugleich geringer werden, zumal man bei Pop-Ups keine Langzeitmieten abschließen muss, ist man sicher mutiger mit neuen Standorten. Im Idealfall bleibt ein Pop-Up dann auch mal dauerhaft.

Gerade für diese Gruppen ist unsere Retail-Erfahrung sehr nützlich, da wir eben genau diese kurzfristig in die Städte bringen können. Aber selbst die großen, etablierten Handelsunternehmen sehen uns als Schnellboot oder Taskforce, um hier schnell agieren zu können und neue Konzepte zu testen. Dass der Handel gerade neu erfunden werden muss, ist ja genau das Thema und dafür sind wir der richtige Partner.

Herr Köhler, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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